Salz in der Weser – Ausblick und Einordnung

Kalibergwerk - Foto: K+S AGDie Salzfracht der Weser soll erhöht werden. Eine Schlagzeile, die mehr oder weniger fett in den letzten Wochen und Monaten durch die Medien geisterte. Das hört sich bedrohlich an und ist unter dem Strich auch richtig. Zu den Hintergründen:
Grundsätzlich geht es um ein Genehmigungsverfahren für eine Pipeline. Das Kasseler Bergbauunternehmen Kali + Salz, einer der größten Düngemittelhersteller, will in Zukunft sogenannte Haldenabwässer durch diese Pipeline vom Werk Neuhof-Ellers zum Werk Phillipsthal transportieren. Letzteres Kaliwerk liegt an der Werra. Dort sollen die salzhaltigen Abwässer kontrolliert in den Fluß eingeleitet werden.

Bisher fließen jährlich rund 14 Millionen Kubikmeter Haldenabwässer in die Werra. Zwischen 0,4 und 0,7 Millionen Kubikmeter sollen hinzu kommen. Diese zusätzliche Einleitung der Haldenabwässer ist im übrigen nicht Gegenstand des Genehmigungsverfahrens, denn Kali + Salz hat eine Einleitungsgenehmigung, die sich nicht auf die absolute Menge sondern auf den relativen Salzgehalt in der Werra am Pegel in Gerstungen bezieht.
Der Salzgehalt der Werra sank bisher bei Hochwasser unter die maximal erlaubten 2500 Milligramm pro Liter ab. Diese Schwankungen soll es in Zukunft nicht mehr geben, das Unternehmen möchte seinen legalen Spielraum komplett ausnutzen. Durch die Pipeline könnte künftig so viel salzhaltiges Wasser in die Auffangbehälter des Werkes Phillipsthal geleitet werden, dass die Salzkonzentration, durch kontrollierte Einleitung in die Werra, auch bei Hochwasser ständig am erlaubten Maximum läge. Damit ändere sich für Mensch und Tier am Fluß im Vergleich zum Status quo nichts, erklärt der Pressesprecher der Kali + Salz AG Ulrich Göbel. Da die Abwässer in die Produktion eingebunden werden, soll der Werra in Zukunft weniger Frischwasser entnommen werden.

Weserbogen - Foto: Christian SchröderAuch der Limnologe Dr. Jürgen Bäthe aus Uslar rechnet nicht mit einer Verschlechterung der Lebensverhältnisse in der Weser. In Höxter beispielsweise werden seiner Meinung nach keine Unterschiede zu den heutigen Werten messbar sein. Der Gewässerexperte ist Mitglied im BUND, sein Büro war aber ebenfalls als Gutachter für Kali + Salz tätig. Umweltschützer befürchten hinter seinen Aussagen Lobby-Arbeit. Aus seiner Sicht ist ein konstanter Salzgehalt, wie er durch die zusätzlichen Haldenwabwässer dann jederzeit eingehalten werden soll, für viele Lebewesen leichter zu ertragen, als ständig schwankende Salzwerte.

Der Wert um den es beispielsweise in Höxter geht, bewegt sich nach dem Bau der Pipeline um die Marke von etwas einem halben Gramm Salz pro Liter Weserwasser. Das entspricht den heutigen Werten, insofern scheint die Argumentation des Unternehmens stimmig. Liest man sich den Erlaubnisbescheid des Regierungspräsidenten Kassel vom 26.11.03 genau durch, stößt man auf folgende Formulierung: „die Salzwassereinleitung ist zu optimieren (zu vergleichmäßigen)“ (Zitiert nach Unterlagen des Kreises Höxter). Auch dem entspricht das Unternehmen mit einer genauen Steuerung und Kontrolle der eingeleiteten Abwässer.

Gleichzeitig fordert die Bezirksregierung in Kassel aber auch, dass nach einer möglichen Reduzierung des Salzwasseranfalls intensiv zu forschen ist. Ein Punkt, der nach Ansicht der Umweltverbände noch lange nicht ausgereizt ist. Es gebe noch viele zu prüfende Alternativen der Salzwasserentsorgung, unter anderem eine Pipeline bis zur Nordsee, sagt BUND Experte Stephan Gunkel. Er ist gleichzeitig Leiter des Projektes „Lebendige Werra“.

So eine Pipeline sei bereits geprüft worden, vor vielen Jahren, argumentiert Unternehmenssprecher Ulrich Göbel. Inzwischen sehe man die Pipeline aber als langfristige Lösung des Entsorgungsproblems. Die jetzt geplante Pipeline müsse als erstes Teilstück der Nordseepipeline aber ohnehin gebaut werden. Nicht in Frage kommt für das Unternehmen eine Abdeckung der Halden oder eine weitere Verbringung des Abraums unter Tage, denn die Lagerkapazitäten in den Stollen seien in spätestens 10 Jahren erschöpft. Letzteres ist der eigentliche Grund für den Antrag zum Bau einer Pipeline von Neuhof-Ellers nach Phillipsthal. Denn das Unternehmen muss auch für die zukünftige, rechtmäßige Entsorgung seiner Abfälle sorgen und das soll eben über diese Rohrleitung und schlussendlich die zusätzliche Einleitung in die Werra geschehen.
Dabei werden die geltenden Grenzwerte aller Wahrscheinlichkeit nach eingehalten. Der Werra wird, wie gesagt, auch weniger Frischwasser entnommen, denn das Wasser aus der Pipeline kann in Philippsthal nochmals verwertet werden, bevor das restliche Abwasser dann in den Fluss geleitet wird. Auch die Lebewesen in der Weser werden nach Expertenmeinung kaum etwas von dem zusätzlichen Salzeintrag spüren, außer dass der Salzgehalt des Flusses weniger stark schwankt als bisher. Sieht die Bezirksregierung in Kassel das genauso, dann wird die Pipeline genehmigt und voraussichtlich 2009 kann salzhaltiges Regenwasser von den Abraumhalden aus Neuhof-Ellers in die Werra geleitet werden.

Der Umweltausschuss des Landes NRW hat sich im Januar in Düsseldorf gegen eine zusätzliche Salzfracht in der Weser, die bekanntlich auch durch NRW fließt, ausgesprochen. Man werde nach weiteren Alternativen suchen, sagte der SPD Abgeordnete Jürgen Unruhe aus Höxter. Auswirkungen auf den Prozess hat das allerdings nur, sollte die Bezirksregierung im hessischen Kassel auf die Forderungen aus dem Nachbarland eingehen. Verpflichtend ist das nicht, denn es geht unter dem Strich nach wie vor juristisch um den Bau einer Rohrleitung, nicht um die Mehreinleitung von salzhaltigen Abwässern.

Ein konstruktiver Einwand kommt aus dem Kreis Höxter, die dortige CDU weist auf die EU-Wasserrahmenrichtlinie hin. Ziel dieser Richtlinie ist es, alle Gewässer innerhalb der europäischen Gemeinschaft in einen guten Zustand zu versetzen. Dazu gehört auch ein sogenanntes Verschlechterungsverbot und das scheint ein wirksamer Hebel zu sein. Denn auch wenn die Salzkonzentration in den Flüssen gleich bleibt, absolut gesehen wird mehr Salzfracht transportiert, und das ist grundsätzlich gesehen eine Verschlechterung.

Ein Beispiel, wie man auch anders mit salzhaltigen Abwässern vorgehen kann, zeigt ebenfalls der Kreis Höxter, der eine eigene Umkehrosmoseanlage unterhalb einer Deponie betreibt, um dort Chlorid aus dem Abwasser zu filtern. So eine Anlage ist relativ teuer, sowohl in der Anschaffung, als auch im Betrieb, sie ist aber in der Lage in etwa die Menge an verunreinigtem Wasser zu entsalzen, die durch die neue Pipeline zusätzlich in die Werra und damit auch in die Weser eingeleitet werden soll. Damit wäre zumindest eine Verschlechterung des Gewässerzustandes zu verhindern. Damit ginge allerdings eine höhere CO2-Emission einher. Gerade zur Zeit ein viel diskutierter Aspekt, der gegen die Vorteile aufgewogen werden muss.

Fazit: die zusätzliche Einbringung von salzhaltigen Haldenabwässern wird nach Expertenmeinung keine Verschlechterungen der Wasserqualität mit sich bringen. Prof. Dr. Wolkersdorfer von der Uni München schreibt in seinem Gutachten für das Land Hessen: „Hinsichtlich der geplanten Maßnahme ist keine signifikante Verschlechterung zu erwarten.“

Vor diesem Hintergrund ist eine sachliche Diskussion geboten, in der niemand von vornherein den schwarzen Peter zugeschoben bekommen darf. Zustände wie zu DDR-Zeiten, als Werra und Weser mit 30 Gramm Salz pro Liter Wasser zu kämpfen hatten, kann es auf keinen Fall mehr geben. Im Zuge des Verbesserungsgebotes sollte aber erneut über Alternativen nachgedacht werden, ohne überhitzte Reaktionen und mit der nötigen Sachkenntnis.

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